Wie sicher ist die Therapie mit Daclizumab?

So gross der Nutzen von Immuntherapeutika für Menschen mit Multipler Sklerose ist: Die Wirkstoffe können Nebenwirkungen mit sich bringen. Umso wichtiger ist das wachsame Beobachten durch Arzt und Patient.

Je wirksamer die Medikamente gegen Multiple Sklerose (MS) werden, desto stärker sind mitunter auch ihre Nebenwirkungen. Beim Wirkstoff Daclizumab können nebst harmlosen auch sehr schwerwiegende Nebenwirkungen auftreten. Ein Beispiel sind Leberprobleme. Vor kurzem kam es in Deutschland zu einem Todesfall infolge Leberversagen: Die Betroffene hatte zur MS-Therapie das Medikament Zinbryta® eingenommen, das den Wirkstoff Daclizumab enthält.

In der Folge hat sich die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) eingeschaltet, um Sicherheit und Risiken des Wirkstoffs noch einmal genau zu prüfen. Während dieses Verfahren noch läuft, hat die EMA bereits neue Empfehlungen für Patientinnen und Patienten veröffentlicht:

  • Die Verwendung von Zinbryta ist auf Patienten mit hochaktiven rezidivierenden Erkrankungen beschränkt, bei denen andere Behandlungen versagt haben.
  • Patienten, die bereits Leberschäden haben, werden mit dieser Medizin nicht behandelt.
  • Die Zinbryta-Behandlung wird bei Multiple-Sklerose-Patienten, die weitere Autoimmunkrankheiten neben MS haben, nicht empfohlen.
  • Wenn Sie bereits mit dieser Medizin behandelt werden, überprüft Ihr Arzt, ob Sie fortfahren oder zu einer alternativen Behandlung wechseln sollten.
  • Ihr Arzt wird Ihre Leberfunktion mindestens einmal monatlich testen und auf Anzeichen und Symptome einer Leberverletzung achten. Wenn Sie Anzeichen einer Leberverletzung haben, überweist Ihr Arzt Sie an einen Leberspezialisten.

Was kann man tun?

Um Leberversagen vorzubeugen, sollten Ärzte regelmässig die Leberwerte kontrollieren. Doch zwischen den Arztbesuchen ist es wichtig, dass MS-Betroffene selbst wachsam sind und auf körperliche Veränderungen achten. Wenn eines oder mehrere der folgenden Symptome auftreten und nicht erklärt werden können, sollte unverzüglich ein Arzt aufgesucht werden:

  • Übelkeit
  • Erbrechen
  • Bauchschmerzen
  • Müdigkeit
  • Appetitlosigkeit
  • Gelbliche Verfärbung der Haut und der Lederhaut des Auges
  • Dunkler Urin

Vier Fragen an...

...Dr. med. Christian Kamm, Leiter des MS-Zentrums am Kantonsspital Luzern und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Schweiz. MS-Gesellschaft:

Was raten Sie Patienten, die aufgrund des Todesfalls der deutschen MS-Patientin verunsichert sind?
Aktuell kann davon ausgegangen werden, dass der Todesfall mit der Einnahme von Daclizumab zusammenhängt. Es ist jedoch wichtig, dass aufgearbeitet wird, welche Umstände in diesem Fall zum Leberversagen geführt haben. Unter Umständen können anschliessend weitere Massnahmen zur Erhöhung der Sicherheit getroffen werden.

Auch wenn es sich um eine seltene Nebenwirkung handelt verunsichert ein solcher Fall MS-Betroffene sehr.
Wichtig ist, dass der behandelnde Arzt zusammen mit dem Betroffenen in Bezug auf die Wahl des Medikaments eine Risiko/Nutzen-Abschätzung macht. So sollte ein Medikament ausgewählt werden, das mit hoher Wahrscheinlichkeit die Krankheitsaktivität unterdrückt, jedoch möglichst wenige Nebenwirkungen hat. Hierbei sind auch anderweitige Erkrankungen zu beachten, die typische Nebenwirkungen fördern können. Des Weiteren ist es wichtig, die geforderten Sicherheitsabklärungen strikt einzuhalten und sich bei neuen Symptomen rasch beim Arzt zu melden.

MS-Medikamente werden immer wirksamer. Was gilt es bezüglich der Nebenwirkungen besonders zu beachten?
Generell ist es wichtig, dass die empfohlenen Sicherheitskontrollen von Arzt und Patient strikt durchgeführt werden, um Nebenwirkungen rasch zu erkennen. Des Weiteren ist es wichtig, die Patienten genau zu schulen, damit sie wissen, auf welche Nebenwirkungen sie achten sollten und wie schnell sie sich beim Arzt melden müssen. Im Falle der deutschen Patientin trat die Leberschädigung akut auf und hätte dadurch in den ordnungsgemäss durchgeführten Kontrollen nicht erkannt werden können.

Was können Patienten zu einem gründlichen Monitoring beitragen?
Essentiell sind sicher die regelmässigen Sicherheitsabklärungen beim Arzt (Blutuntersuchungen, Bildgebungen etc.). Des Weiteren sollten sich Patienten bei neuen Symptomen rasch beim behandelnden Arzt melden. Im Falle von Daclizumab wären dies die oben beschriebenen Symptome wie Übelkeit, Erbrechen etc. Idealerweise kontaktiert man noch am Tag des Auftretens den Arzt.