Was hat Glutamat mit Multipler Sklerose zu tun?

Glutamat kommt als beliebter natürlicher Geschmacksverstärker in Nahrungsmitteln zum Einsatz. Glutamat wird aber auch im menschlichen Körper produziert und hat möglichweise einen Einfluss auf die MS. Dem wollen Wissenschaftler der Universität Zürich und der ETH Zürich in einer Studie nachgehen.

Glutamat ist einer der wesentlichen chemischen Botenstoffe im Hirn, den Nervenzellen nutzen, um miteinander zu kommunizieren. Die Wirkung von Glutamat ist abhängig davon, an welchen Rezeptor es bindet. Ein besonders wichtiger Glutamat-Rezeptor ist der sogenannte NMDA-Rezeptor. Frühere wissenschaftliche Studien legen nahe, dass dieser eine wesentlich Rolle beim Krankheitsverlauf der Multiplen Sklerose  spielen kann. Dabei hat er möglicherweise eine zweischneidige Funktion. Einerseits sind NMDA-Rezeptoren für die Plastizität und Lernfähigkeit des Gehirns essenziell. Diese Fähigkeit kann Einschränkungen kompensieren, die bei der MS entstehen. Zudem sind NMDA-Rezeptoren bei der sogenannten Remyelinisierung (Wiederaufbau der Schutzschicht von Nervenzellen) wichtig. Aus diesen Gründen wäre eine erhöhte Aktivität dieser Rezeptoren für einen gutartigen Verlauf der Erkrankung förderlich. Andererseits führt eine erhöhte Wirkung von Glutamat an NMDA-Rezeptoren zu einer Schädigung von Nervenzellen, die bis zu ihrem Absterben führen kann. Beide Auswirkungen – der positive Effekt, der das Hirn anpassungs- und lernfähiger macht, und der negative Effekt, der zur Schädigung von Nervenzellen führt – wurden in früheren Tierstudien belegt.

Unterscheidet sich die Wirkung je nach Krankheitsphase?

Was ist die Ursache dieser scheinbar konträren Befunde? Eine Möglichkeit wäre, dass sich Patienten hinsichtlich der Funktion ihrer NMDA-Rezeptoren unterscheiden und dies der Grund für die individuell unterschiedlichen Verläufe von MS ist. Dafür spräche, dass die Funktion von NMDA-Rezeptoren nicht allein genetisch bedingt ist, sondern durch eine Vielzahl von Umweltfaktoren beeinflusst wird. Eine andere Möglichkeit wäre, dass die zweischneidige Rolle des NMDA-Rezeptors in verschiedenen Phasen der Erkrankungen unterschiedlich zur Geltung kommt. Zum Beispiel wäre es denkbar, dass eine niedrige Aktivität von NMDA-Rezeptoren in der Frühphase der Erkrankung günstiger ist, in der späteren Phase aber eine hohe Aktivität von NMDA-Rezeptoren.

Diesen Fragen gehen Neurologen und Wissenschaftler der ETH Zürich und der Universität Zürich in einer laufenden Studie nach. Durch die Messung von Hirnströmen über am Kopf oberflächlich angebrachte Elektroden und die mathematische Analyse der so gemessenen Hirnaktivität lassen sich Rückschlüsse über den individuellen Funktionszustand von NMDA-Rezeptoren erzielen.