Gesichter der MS 2022: Daniela Krebs-Durtschi

Gesichter der MS

Mein Name ist Daniela. Ich bin 41 Jahre alt und wohne mit meinem Mann und meinen zwei Kindern (18 und 16 Jahre) in Meiringen. Unsere Kinder wohnen unter der Woche zusammen in einer WG in der Westschweiz und absolvieren dort ihre Ausbildungen. Ich bin bei zwei Kirchgemeinden als Finanzverwalterin und Sekretärin angestellt.

Wie würde dich deine beste Freundin/dein bester Freund in ein, zwei Sätzen beschreiben?
Unternehmungslustige, aufgestellte, selbstbewusste Persönlichkeit, welche immer gerne Neues ausprobiert, kämpft und niemals aufgibt. Die Krankheit steht nie im Vordergrund und lässt das vis à vis vergessen, dass die MS da ist.

Welche 3 Dinge kannst du richtig gut?
Ich kann richtig gut kochen. Anderen Menschen zuhören und ihnen im Leben weiterhelfen und sie motivieren, nie aufzugeben.

Für welche 3 Dinge hast du null Talent?
Singen. Das kann ich gar nicht.

Du darfst für 24 Stunden in die Haut eines anderen Menschen schlüpfen. Wer wolltest du sein? Und warum?
Dann möchte ich gerne Wendy Holdener sein und so leichtfüssig einen Slalom absolvieren, wie sie es immer tut.

Umgekehrt: Wer sollte mal einen Tag lang dein Leben mit MS führen? Warum?
Ich wünsche niemandem mit schweren Beinen durchs Leben zu gehen. Aber Menschen, welche arrogant, hochnäsig und gemein sind, diese könnten für 24 Stunden gerne meine Beine haben.

Wie und in welchem Alter wurde dir die Diagnose MS vermittelt?
Als ich 19 Jahre alt war, wurde mir am 15.9.1999 die Diagnose MS mitgeteilt. Am 15.9.2005 kam meine Tochter zur Welt. Was für ein Datum. Ich hatte im linken Auge eine Sehnerventzündung.

Wie hast du dich bei der Neudiagnose über MS informiert?
Ich habe ein Buch in der Bibliothek ausgeliehen. Es war kein Buch, welches über die aktuellsten Informationen Auskunft gegeben hat. Es hat mir sehr viel Angst gemacht.

Was waren deine ersten MS-Symptome? Welche bestimmen deinen Alltag heute?
Es kamen nach der Sehnerventzüdung vor allem Taubheitsgefühle vor. Zum Glück ist nichts davon mehr zu spüren. Das Gehvermögen allerdings schwindet immer mehr. Nichtsdestotrotz mache ich noch immer alles. Einfach viel langsamer.

Wie stark hat die Diagnose MS deine Lebenspläne und -ziele verändert?
Gar nicht. Die Diagnose war da, aber ich lebte und lebe mein Leben, als wäre alles normal. Ich habe geheiratet, zwei Kinder bekommen und im Berufsleben habe ich mich gut eingebunden.

Was ist dein grösstes Learning vom Leben mit MS?
Never give up!

Wenn du gegenüber einer Person sitzen würdest, die gerade kürzlich die Diagnose MS erhalten hat: Was würdest du ihr sagen?
Mir geht es immer sehr nahe, wenn mir jemand erzählt, dass er auch die Diagnose gerade bekommen hat. Ich weiss, wie man sich fühlt. Ich berichte dann von meinen Erfahrungen. Erst einmal die Tränen und Ängste zulassen. Dann aber die Tränen trocknen und nach vorne schauen. Sich gut bei Ärzten und der MS Gesellschaft informieren. 

Hast du Angst vor Benachteiligung -  im Beruf, in Beziehungen, in Freizeitvereinen – wenn du mit deiner Diagnose offen umgehst? Oder hast du sogar schon Benachteiligung erlebt?
Ich habe keine Angst im Berufsleben. Meine Stelle ist genau für mich gemacht. Ich habe Homeoffice und wenn wir Sitzungen haben und etwas nicht geht, dann kann ich auf die Hilfe meiner Mitarbeiter zählen. Meine Familie und Freunde nehmen mich überall mit. Wenn nötig auch im Rollstuhl. Leider habe ich auch schlechte Erfahrungen gemacht. Ich war Leiterin im Geräteturnen und wollte einen J & S-Kurs absolvieren. Ich habe mich angemeldet und mich telefonisch informiert, ob es ein Problem gäbe, wenn ich selber wegen meiner MS nicht mehr turnen könne. Die Antwort war ein Hammer. «Sorry, Behinderte können wir nicht brauchen.» Das sass. Aber ich habe den Kurs gemacht und sogar bestanden.

An nicht so guten Tagen:  wer oder was gibt dir Mut und Hoffnung?
Ich weisse es nicht. Zum Glück gibt es diese sehr selten. Ich glaube aber, dass ich weine und dann wieder Energie habe.

Welche deiner Eigenschaften sind für das Leben mit MS hilfreich?
Positives Denken, nie aufgeben.

Welche 3 deiner Charakterzüge machen es eher schwierig? 
Negatives Denken, Hadern, Selbstzweifel.

Hast du manchmal schlaflose Nächte? Was raubt dir den Schlaf? 
Das habe ich zum Glück sehr selten. Aber dann ist bestimmt Vollmond, oder ich habe am nächsten Tag eine Präsentation vor Leuten.

Gibt es Momente, in denen du die MS vergessen kannst?
Auch wenn mein Gangbild nicht mehr so sexy ist und ich jeden Tag Medikamente einnehmen muss, vergesse ich meine Krankheit immer. Für mich ist sie nicht da.

Beim Flirten oder beim Date: Ist man als MS-Betroffene/r zurückhaltender? Gibt es einen «guten» Moment, die MS-Erkrankung zu outen?
Ich flirte sehr gerne und ich bin nie zurückhaltend und gehe sehr offen mit der MS um.

Was wolltest du schon immer mal machen? Was hat dich davon abgehalten?
Ich habe mir immer eine eigene Familie gewünscht. Die habe ich und ansonsten wollte ich nichts.

Du darfst als Gastgeber/in eines Galadinners 3 beliebige Menschen einladen. Wer wäre das und warum?
Pirmin Zurbriggen: Weil ich eine begeisterte Skifahrerin war und er mein Idol in Kinderzeiten. Mein verstorbenes Grosi: Weil sie eine unwahrscheinliche ruhige Art hatte und sie nie wertend war. Meinen Mann: Weil ich dieses Dinner mit ihm teilen möchte.

Du kannst mit einer Zeitmaschine an einen beliebigen Punkt in der Zukunft reisen: Welcher wäre das und warum?
Das finde ich eine schwierige Frage. Und wenn ich es mir genau überlege, dann möchte ich mit meinen Grosskindern im Sandkasten sitzen und Sandburgen bauen.

Und jetzt das Ganze anders herum: du kannst in die Vergangenheit reisen. Welches Ereignis/Jahr/Tag würdest du wählen? Und warum?
Meine Überraschungsparty an meinem 18. Geburtstag, meine Hochzeit, meine Geburten und noch vieles mehr. Ich kann keines genau definieren. Alle haben mich geprägt und berührt.

Welche Beziehung hast du zur Schweiz. MS-Gesellschaft? Gibt es Wünsche, die du an die Schweiz. MS-Gesellschaft hast?
Der Lions Club Meiringen Brienz hat an einem Welt MS Tag einen Vortrag mit meinem Hausarzt Dr. med. Karl Haefele, Prof. Dr. med. A. Chan vom Inselspital Bern, mir und einer weiteren Betroffenen organsiert. Dort haben wir der MS Gesellschaft zusammengearbeitet.


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