Gesichter der MS 2021: Irina Matti

Gesichter der MS

Ich bin 44 Jahre alt, seit 20 Jahren verheiratet, wohne in einem Bergbauerndorf, in dem ich auch aufgewachsen bin und arbeite dort Teilzeit im Sekretariat der Kirchgemeinde. 

Was bedeutet MS für dich?
Die MS ist etwas, mit dem ich leben muss, mir das Leben nicht nur einfach macht, aber ich trotzdem gut damit zurechtkomme. 

Wie lange bestanden bei dir schon die Symptome vor der Diagnose? 
Ungefähr 15 Jahre. 

Wie und in welchem Alter wurde dir die Diagnose MS vermittelt? 
Die Diagnose bekam ich im Jahr 2015, kurz vor meinem 38. Geburtstag. 

Was war dein erster Gedanke nach der Diagnose MS? 
Da ich es bereits seit längerem vermutet hatte, aber die Ärzte es lange nicht untersuchen wollten, war es eine Erleichterung.

Welche Symptome machen dir am meisten zu schaffen? 
Die Lähmungen, Spastiken und die Probleme mit dem Gleichgewicht machen mir das Gehen relativ schwer. 

Wo behindern dich die Symptome im Alltag, wie beeinflusst die MS deine Lebensqualität? 
Ich kann keine langen Strecken mehr ohne Hilfsmittel gehen, im Gesamten rauben mir die Einschränkungen sehr viel Energie. 

Hast du deine Diagnose kommuniziert? Wenn nein, warum nicht? Was waren Befürchtungen oder Gründe? 
Ja, ich habe die Diagnose immer kommuniziert.

Was würdest du anderen Menschen mit einer Neudiagnose heute empfehlen? 
Immer offen sein, notfalls psychologische Unterstützung annehmen. 

Kennst du vielleicht MS-Betroffene, die sich bewusst «nicht outen». Weisst du, warum sie das nicht tun? 
Ich kenne niemanden, der sich nicht «outet». 

Wie könnte die MS-Gesellschaft diese Menschen unterstützen? Wie, die Schweizerinnen und Schweizer?
Die MS-Gesellschaft könnte neu Diagnostizierte auf psychologische Unterstützung hinweisen. Die SchweizerInnen direkt Fragen stellen - und nicht hinter vorgehaltener Hand darüber reden. 

Was ist für dich tabu bei deiner MS? 
Nichts.

Gibt es Dinge, über die du nicht einmal mir deinen engsten Menschen sprechen möchtest? 
Nein, das gibt es nicht. 

Gibt es umgekehrt Dinge, die dein Umfeld gar nicht wissen möchte? 
Bei meinen nächsten Familienmitgliedern nicht, bei entfernteren Personen merkt man das schon. Das ist aber nicht massgebend. 

Wie geht dein privates Umfeld, also Familie, Freunde, Partner, mit deiner Krankheit um? 
Sie gehen alle sehr gut damit um und sind mir auch eine grosse Hilfe.

Hast du Kinder? 
Nein, wir haben keine Kinder.

Wie bekommst du/mit deinem Partner Kinder und Beruf unter einen Hut? 
Ich versuche immer einen Schritt nach dem anderen zu machen, etwas anderes funktioniert nicht mehr. 

Wie ist die Situation an deiner Arbeitsstelle? 
Da erfahre ich sehr viel Verständnis von allen Seiten. 

Hat sich aus deiner Sicht in den letzten Jahren etwas verändert in der Gesellschaft oder Politik gegenüber chronisch kranken Menschen? Was ist vielleicht besser oder schwieriger geworden? 
Aus meiner Sicht ist es nicht zuletzt durch die Politik den chronisch Kranken Menschen einiges schwerer gemacht worden. Einsparungen und Restriktionen, die auf dem Rücken der Kranken ausgetragen werden. Das Problem ist sicher auch, dass die Gesunden in der Politik die Vorgaben machen für die Kranken - und im Grunde genommen oft gar nicht wissen, was es bedeutet, krank zu sein. Bei gewissen Menschen und Parteien zählt man als kranker Mensch oft als «Schmarotzer» (zum Beispiel, wenn jemand IV bezieht). Aber ich denke, die grössten Vorurteile gegenüber Kranken sind schlicht und einfach Unwissen.

Welches sind die grössten Vorurteile oder Irrtümer, mit denen du als MS-Betroffener konfrontiert wirst? Wie gehst du damit um, was erträgst du am wenigsten gut?
Wahrscheinlich dasselbe, was hier oft geantwortet wird: die Meinung, dass MS Muskelschwund bedeutet. Dieses Missverständnis ist nicht tragisch, das kann man berichtigen. Ratschläge, die zwar gut gemeint sind, aber nie gefragt wurden und auch durch Unwissen nicht relevant sind, können mühsam werden. 

Wo siehst du den Beitrag der Schweizerischen MS-Gesellschaft zur Enttabuisierung der MS oder zur Stärkung der Solidarität?
Die MS den Menschen nahe bringen durch Präsenz ist sicher schon mal ein guter Anfang. Vielleicht bräuchte es auch politisch mehr Lobbyarbeit für MS-Patienten. 

Wie entspannst du dich? Welchen Rat hast du für andere MS-Betroffene?
Am besten entspanne ich in der Natur, im Garten, lese ein Buch oder male. Richtige Entspannung bedeutet für mich, nicht von vielen Menschen umgeben zu sein. Meine Katzen sind für mich Entspannung.

Was macht dir in Bezug auf deine MS Angst? 
Mir macht nichts Angst. Ich nehme es, wie es kommt.

Was gibt dir in Bezug auf deine MS Hoffnung? 
Dass die Forschung vielleicht irgendwann die Ursache findet und man so Heilung fördern kann.

Wenn Du morgen zum « Minister für Forschung gegen die MS» ernannt wirst, was sind deine ersten 3 Massnahmen?
Das kann ich so nicht beantworten, da müsste man schon Forscher sein. Das ist ein sehr komplexes Gebiet.

Welche positiven Gedanken verbindest du mit den Begriffen Forschung und MS?
Das Positive ist, dass da jemand dran ist und nicht aufgibt.

Welche Gefahren siehst du für den Bereich Forschung und MS?
Fehlende Finanzierungen.

Verfolgst du Informationen zu Entwicklungen in der Forschung? Aus welchen Quellen? An welchen Forschungsthemen bist du besonders interessiert?
Ich verfolge es nicht so genau, manchmal liest man wieder irgendwo einen Artikel, dass es eventuell einen Fortschritt gibt, aber oft ist das alles noch sehr vage und hat keinen direkten Einfluss oder Nutzen auf meine Situation.

Welche Frage(n) wolltest du einem MS-Forscher schon immer mal ganz direkt stellen? Raus damit.
Ehrlich gesagt, habe ich da keine…

Wo in deinem Alltag sollte die MS-Forschung ganz speziell positive Veränderungen ermöglichen?
Solange die Ursache nicht gefunden wird, braucht es sicher noch bessere Symptombekämpfungen. Seien das Medikamente, Therapien oder Hilfsmittel.

Hattest du im Zusammenhang mit MS lustige und/oder traurige Erlebnisse?
Traurige nicht. Mein Mann und ich machen öfters mal Witze über die Situationen, die dadurch entstehen, dass der Körper nicht mehr so funktioniert wie er sollte. Es hilft mir darüber zu lachen, ich bin nicht jemand, der Bedauern und Mitleid braucht. 

Welchen Satz über MS kannst du nicht mehr hören?
Aber du bist doch noch zu jung (als ob sich eine Krankheit einen Deut um das Alter scheren würde…).

Wenn deine MS ein Tier wäre, welches und warum?
Gute Frage: das müsste ein Tier sein, das sehr unvorhersehbar ist, jeden Tag anders sein kann.

An was hängt dein Herz?
An meinem Mann, meiner Familie und meinen Tieren.

Ein Satz für deine Liebsten?
Vielen Dank Euch allen, für die Unterstützung die ich von Euch erhalte!

Ein Satz für deine «Feinde»?
Die brauchen keinen Satz :-)

Dein Lebens-Motto?
Bleib stark. Es ist, wie es ist!

Dein Lieblingsbuch? Lieblingsfilm? Lieblingsessen? Gegen den MS-Blues?
Lieblingsbuch: «Die Hütte», von William Paul Young. Lieblingsfilm: «Alles eine Frage der Zeit». Lieblingsessen: Pizza. Gegen den MS-Blues habe ich nichts, denn den kenne ich nicht.

Wenn du 3 Wünsche an die gute Fee frei hättest – für dich, die Welt, für wen und was auch immer: Welche wären das?
1. Wunsch: Gesundheit. 2. Wunsch: Respekt für Mensch und Tier. 3. Wunsch: kein Egoismus mehr auf der Welt.

Welche Beziehung hast du zur Schweiz. MS-Gesellschaft?
Für mich war die MS-Gesellschaft sehr hilfreich am Anfang, für Hilfe bei Ämtern, usw. 

 


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