Gesetzlicher Überblick: autologe Stammzellentransplantation bei MS

Die MS-Behandlung mittels Transplantation körpereigener Blutstammzellen etabliert sich zunehmend als Behandlungsform neben klassischen Immuntherapien. In der Schweiz wird das Verfahren erst seit wenigen Jahren angewendet. Ein Lichtblick ist die kürzlich vom Bund beschlossene Kostenübernahme durch die Krankenversicherungen, namentlich am Universitätsspital Zürich.

In der Schweiz werden stationäre ärztliche Behandlungen ganz allgemein von der obligatorischen Krankenversicherung vergütet. Diese obligatorische Leistungspflicht gilt jedoch nicht ausnahmslos. Bei neueren Therapien, deren Wirksamkeit noch in Abklärung steht, bestimmt der Bundesrat, inwiefern die Krankenkassen die Behandlungskosten übernehmen müssen.

Dies war bislang der Fall beim Einsatz der autologen hämatopoetischen Stammzellentransplantation. Da aHSCT als medizinische Therapie seit vielen Jahren bei Leukämie anerkannt ist und namentlich am Universitätsspital Zürich Fortschritte im Bereich der Multiplen Sklerose erzielt werden, übernehmen die Krankenkassen seit dem 1. Juli 2018 in besonderen Fällen die Kosten für die Therapie.

Gibt es nun also eine Stammzellentransplantation für alle? Dies ist nicht der Fall, denn die Krankenpflege-Leistungsverordnung des Bundes setzt für eine Kostenübernahme einen klar definierten Rahmen. Da bei MS die bisherigen Behandlungserfolge noch nicht in einer neurologischen Breitenstudie bestätigt worden sind, gilt die Behandlung an sich nach wie vor als experimentell. Eine Übernahme kommt laut der Verordnung in zwei Fällen in Frage:

  1. Wie bisher können die Kosten übernommen werden, wenn die Behandlung im Rahmen einer klinischen Multicenter-Zulassungsstudie erfolgt. Eine Kostenübernahme ist in solchen Fällen nur möglich auf vorgängige Gutsprache der Versicherung hin, die die Empfehlung des Vertrauensarztes oder der Vertrauensärztin berücksichtigt. Zudem kommen nur Betroffene in Frage, bei denen die konventionelle Therapie keinen Erfolg brachte oder bei einer merklichen Progression der Erkrankung.

  2. Neu kommt die Kostenübernahme auch am Universitätsspital Zürich im Rahmen einer Registerstudie in Frage. Die Voraussetzung ist dort eine konkrete Indikationsstellung durch das interdisziplinäre MS-Stammzell-Transplantationsboard des Spitals. Die medizinischen Voraussetzungen sind vergleichbar mit den Behandlungen im Rahmen einer Zulassungsstudie (erfolglose konventionelle Therapie oder Progression der Krankheit). Diese Regelung gilt bis auf weiteres im Rahmen einer Evaluation.

In allen andern Fällen müssen die hohen Kosten von rund 160‘000 Franken in der Schweiz von den Betroffenen nach wie vor selber getragen werden. Gleichwohl hat sich mit diesem Schritt des Bundes das regulatorische Umfeld für aHSCT bei MS deutlich verbessert. Dies ist nicht zuletzt Prof. Roland Martin, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der MS-Gesellschaft, und seinem Team zu verdanken.

Können in Zukunft auch weitere Kreise von der Therapie profitieren?

Die geltende Regelung für das Unispital Zürich ist befristet bis Juni 2024. Es ist zu hoffen, dass durch die neuen Erfahrungen mit den Therapien sowie mit den Ergebnissen der Zulassungsstudie eine definitive Absicherung der Kostenübernahme erreicht werden kann. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Aufnahme der aHSCT ist ein positiver Abschluss der Zulassungsstudie. Bei solchen, auch Phase-3-Studie genannten Vorhaben, handelt es sich um klinische Studien, bei denen neue Therapien in einem breit angelegten Versuch erprobt werden. Damit will man feststellen, ob sich Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bei vielen unterschiedlichen Patienten bestätigen lassen. Führende MS-Zentren und Transplantationsexperten in der Schweiz und in Europa arbeiten zurzeit an der Umsetzung einer Zulassungsstudie mit bis zu 200 Patienten. Auch in den USA sind Bestrebungen im Gang.

Im Falle einer definitiven Aufnahme in den Pflichtleistungskatalog ist sicherzustellen, dass die aHSCT bei entsprechend positiven Ergebnissen den konventionellen Therapien gleichgestellt wird. So müssen Betroffene, die für eine Behandlung in Betracht kommen, nicht zunächst eine konventionelle Therapie durchschreiten.

Laut Presseberichten bestehen bereits heute Wartelisten für die Stammzelltherapie in Zürich. Der Entscheid des Bundes sollte nun dazu führen, dass die Kapazitäten ausgebaut werden können und allenfalls weitere Zentren hinzukommen. Die Therapie muss dann für Betroffene mit zunehmend eingeschränkter Lebensqualität keine Geduldsprobe mehr darstellen.

Autor: Philipp do Canto, lic. iur. Rechtsanwalt - Vorstandsmitglied der Schweiz. MS-Gesellschaft

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