«Betrachtungen»: Bilder einer ganz besonderen Ausstellung

Danke

Ernst Flury hat mit «Betrachtungen» einen einzigartigen Bildband geschaffen, der geprägt ist durch die unheilbare Erkrankung seiner Frau mit Multipler Sklerose. Impressionen in Wort und Bild von der Buchvernissage, die Ende August 2021 im Foyer des Parktheaters Grenchen stattfand.  

«Beeindruckend», «unglaublich diese Präzision», «diese Farben und diese Konturen entführen den Betrachter in eine andere Welt» - dies sind nur einige von vielen Zitaten der fast 100 Gäste, welche der Einladung zur Buchvernissage von Charlotte und Ernst Flury am 22. August 2021 gefolgt sind. Doch dazu später…

In guten und in schlechten Zeiten 

«Anlass zum Projekt Betrachtungen  gab das Schicksal einer von MS betroffenen Partnerschaft. Der chronisch-progrediente Verlauf zwingt uns das Leben vorwiegend zu Hause zu gestalten.» Diese Worte Aus dem Vorwort zu «Betrachtungen» stammen von Ernst Flury, einem pensionierten Unternehmer aus dem Kanton Solothurn. Seine Frau Charlotte wachte am 1. April 1986 auf und sah alles doppelt, horizontale Linien waren plötzlich schräg. Nach vielen Terminen bei verschiedenen Ärzten stand die Diagnose fest und der Verdacht auf einen ersten MS-Schub bestätigte sich. Die darauf folgenden 17 Jahre hatte Charlotte Flury praktisch keinerlei Symptome, bis sich 2003 ihr Zustand verschlechterte. Seit 2007 ist sie auf einen Rollstuhl angewiesen. Ehemann Ernst hat sich vor über 10 Jahren zu 100% der Betreuung und Pflege seiner Frau verschrieben.

Ernst Flury war einst erfolgreicher Unternehmer. Zusammen mit seiner Charlotte baute er ab 1988 eine sehr erfolgreiche Firma auf, die auf die Herstellung von Deckgläsern für die Endoskopie in der Medizinaltechnik spezialisiert war. Durch Innovation und «Tüftlergeist» schaffte er es, mit seinen Produkten weltweit eine Monopolstellung einzunehmen – der Garant für eine prosperierende und erfolgreiche Firma. 2009 verkaufte Ernst Flury dieselbe, um voll und ganz für Charlotte da sein zu können. Aus dem Verkauf ihrer Firma konnten sich die Flurys ein Haus bauen, welches voll und ganz auf die Anliegen und Bedürfnisse von Charlotte eingerichtet ist. Schon bald realisierte Ernst, dass sein Wirkungskreis durch die Betreuung seiner Frau nicht mehr uneingeschränkt war. Längere Ausflüge oder sogar Ferien um Passionen und Hobbies nachzugehen, waren immer schwieriger realisierbar, man war und ist sehr an das Zuhause und die unmittelbare Umgebung gebunden. Ernst Flury wäre aber nicht der Macher der er ist, wenn er aus diesem Umstand nicht eine Tugend gemacht hätte.

Idee und Umsetzung

Die Passion für das Fotografieren begleitete ihn schon seit Jugendzeiten. Anstelle von Bildern, welche draussen in der freien Natur entstehen, aber auch durch sein Flair für Technik, begann Ernst Flury sich mehr und mehr für die Makrofotografie zu interessieren. Aus dem umgebauten Wintergarten wurde ein professionelles Foto-Studio und über die Jahre entstanden faszinierende Bild-Unikate, jedes mit seiner eigenen Geschichte. Marc Reist, ein renommierter Künstler aus der Region, war bei seinen jeweiligen Besuchen von den Werken Flurys begeistert. Er gab schlussendlich den entscheidenden Impuls, mehr daraus zu machen, als damit die Wände des eigenen Heims zu schmücken. Die Idee eines exklusiven Fotobandes war geboren!

Ein Tag mit Erinnerungswert

Zurück zum besagten 22. August, ein bewölkter Sonntagnachmittag in Grenchen am Jurasüdfuss. Im prächtigen Foyer des Parktheaters Grenchen wird fieberhaft an den letzten Details gefeilt. Eine LED-Grossleinwand steht bereit, ein Musiktrio stimmt die Instrumente, Mikrofone werden getestet. Es ist angerichtet für knapp 100 Gäste. Ein erstes Zusammentreffen mit den Flurys stellt sich als äusserst ungezwungen und sympathisch heraus. Trotz vieler Jahre im Umgang mit MS und dem damit einhergehenden, nicht immer ganz einfachen Alltag, strahlen die beiden vor Lebenslust. Die Erwartung auf die Gäste und den folgenden Anlass ist den beiden spürbar und in den freudigen Augen abzulesen. Gegen 17 Uhr kommt Bewegung ins Foyer und immer mehr Gäste treffen ein, klingende Orangensaft- und Weissweingläser, sowie angeregte Gespräche erfüllen den Raum mit Leben und Vorfreude auf den beginnenden Anlass. Eine bunt gemischte Gästeschar aus Kunst, Kultur, Wirtschaft und Politik hat den Weg an die Buchvernissage gefunden. Die Flurys sind überwältigt vom Echo, das ihr Projekt hervorgerufen hat.

Nachdem die Anwesenden Platz genommen haben ergreift Moderator Simon Eberhard das Wort und stellt die Grussrednerin, Gemeindepräsidentin von Bettlach und Kantonsrätin Frau Barbara Leibundgut vor, die sich mit einer eindrücklichen Rede an die Gäste wendet. Anschliessend erhält die Schweiz. MS-Gesellschaft, welche ebenfalls zum Anlass eingeladen wurde, die Gelegenheit, einige Worte an das Publikum zu richten und bedankt sich dabei auch ganz herzlich für die wertvolle Spende, welche die Flurys aus dem Erlös der verkauften Bildbände zu Gunsten von MS-Betroffenen machen werden.

Doch nun gehört die Bühne den beiden Hauptprotagonisten. Der Moderator interviewt Ernst Flury und Marc Reist und entlockt den beiden spannende Hintergrundgeschichten zur Entstehung des Bildbandes. Viele davon bringen die staunende Gästeschar immer wieder zum Schmunzeln. Der Schalk, der in den Worten von Ernst Flury mitschwingt, wirkt erfrischend. Dabei stellt sich heraus, dass Bilder je nach Idee und Sujet teilweise nicht nur Stunden, sondern sogar Tage in Anspruch nehmen, bis sie die strengen Qualitätsrichtlinien des Erschaffers erfüllen. Es ist beim Hören dieser Fakten fast nicht zu glauben, dass über die Jahre so mehrere Tausend Bilder entstanden sind. Die Besten daraus auszuwählen, war nur eine der Herausforderungen, wie Marc Reist dazu erklärt. Er hat vom Fotografen Flury über 50 (!) USB-Sticks zugestellt bekommen - mit dem Auftrag, die wirkungsstärksten Fotos daraus auszusuchen…

Aber es gibt auch ernste Momente auf der Bühne. Auf die Frage des Moderators, was die vielen Gäste, die der Einladung gefolgt sind, für Emotionen in Ernst Flury auslösen, muss dieser kurz pausieren. Sichtlich gerührt bedankt sich der begnadete Makrofotograf bei allen Anwesenden.

Ein Fest fürs Leben

Im Anschluss wird das Werk gefeiert. Zu den Klängen des Trios «Jazz for Friends» wird ein reichhaltiger apéro riche serviert,  der köstlich schmeckt. Angeregte Gespräche, funkelnde Augen über den aufliegenden Bildbändern und mittendrin das sichtlich entzückte Ehepaar Flury, das sich über die tolle Atmosphäre, die vielen Begegnungen und den gelungenen Rahmen des Anlasses freut. Es sind bewegende Momente. Der Verkaufsstand, der von Verwandten der Flurys betrieben wird, kann den Ansturm fast nicht bewältigen und viele Käufer nehmen auch gleich die Gelegenheit wahr, eine persönliche Widmung des Autors abzuholen.

Es wird noch lange gefeiert und gelacht, nach und nach verlassen zufriedene Gäste das Parktheater, die meisten von Ihnen mit einer Tragetasche, inklusive Bildband unter dem Arm. Zurück bleiben die strahlenden Flurys, überwältigt vom grossen Anklang den ihr Projekt hervorgerufen hat. «Gemeinsam sind wir stark» - ein Motto der MS-Gesellschaft – könnte nicht treffender versinnbildlicht werden.

Es zeigt ein Ehepaar, das trotz Schicksalsschlägen Mut und Zuversicht nicht verloren hat. Dass daraus imponierende Werke wie der Bildband «Betrachtungen» entstehen, ist der beste Beweis dafür.


Der Bildband «Betrachtungen» kann für CHF 150.00 zzgl. Versandkosten bestellt werden. Sämtliche Erlöse aus dem Verkauf werden an die Schweiz. MS-Gesellschaft gespendet.

Text: Christoph Stamm I Bilder von der Vernissage: Thomas Ulrich - fotomtina